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Gericht: Oberlandesgericht Hamm
Beschluss verkündet am 11.08.2005
Aktenzeichen: 4 Ws 355/05
Rechtsgebiete: StGB, StPO
Vorschriften:
StGB § 67 c Abs. 1 | |
StPO § 454 Abs. 2 | |
StPO § 24 |
4 Ws 347/05 OLG Hamm 4 Ws 350/05 OLG Hamm 4 Ws 355/05 OLG Hamm
Beschluss
Strafvollstreckungssache
gegen R. H., zur Zeit in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Werl,
wegen Nötigung,
hier: Anordnung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung u.a..
Auf die einfachen Beschwerden und die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 6., 15. und 20. Juli 2005 gegen die Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 28. Juni 2005 hat der 4 . Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 11. August 2005 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht , den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerden werden auf Kosten des Beschwerdeführers verworfen.
Gründe:
I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner (einfachen) Beschwerde vom 6. Juli 2005 gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bochum vom 28. Juni 2005, durch den sein Befangenheitsgesuch gegen den Sachverständigen Diplom Psychologe M. verworfen worden ist, sowie mit seinen Beschwerden vom 15. bzw. 20. Juli 2005 gegen den weiteren Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom selben Tage, durch den der Vollzug der Sicherungsverwahrung angeordnet und seine Anträge auf Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 25. September 2003, auf sofortige Freilassung, auf Einholung eines anderen Gutachtens, auf Anhörung seiner Lebensgefährtin Dipl. Psych. B. und auf Unterbrechung des Termins zur Anhörung verworfen worden sind.
II. Die Beschwerden haben keinen Erfolg.
1. Die Beschwerde gegen die Verwerfung des Antrages auf Ablehnung des Sachverständigen M. wegen Besorgnis der Befangenheit ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung unbegründet. Der Senat teilt die Auffassung der Strafvollstreckungskammer, dass die geltend gemachten Ablehnungsgründe aus der Sicht eines verständigen Verurteilten kein Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Sachverständigen rechtfertigen. Abzustellen ist dabei nämlich nicht auf den möglicherweise einseitigen subjektiven Eindruck oder unzutreffende Vorstellungen des Verurteilten, sondern auf den Standpunkt eines vernünftigen Verurteilten nach ruhiger Prüfung des Sachverhalts (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 48. Auflage, § 24 Rdnr. 8). Weder die möglicherweise im Detail unzutreffend wiedergegebene Aussage des Zeugen Dr. E. noch die Äußerung des Sachverständigen, der Verurteilte habe "Verfassungsbeschwerde gegen den Sachverständigen Dr. S." erhoben rechtfertigen bei vernünftiger Abwägung die Besorgnis der fehlenden Unvoreingenommenheit. Auch soweit der Verurteilte erstmals in seiner Beschwerdeschrift dem Sachverständigen vorwirft, dieser habe ihn wegen seiner körperlichen Behinderungen diskriminiert, lässt sich dieser Vorwurf weder nach dem schriftlichen Gutachten, noch nach dem Inhalt des Anhörungsprotokolls noch aus den Beschlussgründen ableiten.
2. Der Antrag auf Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 25. September 2003 ist zu Recht verworfen worden. Das Urteil ist, nachdem der Bundesgerichtshof die Revision des Angeklagten durch Beschluss vom 6. April 2004 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen hat, rechtskräftig. Diese Rechtskraft kann allenfalls im förmlichen Wiederaufnahmeverfahren beseitigt werden, keinesfalls jedoch im Verfahren nach § 67 c Abs. 1 StGB.
3. Sinngemäß dasselbe gilt für den Antrag auf sofortige Freilassung, den der Verurteilte selbst nunmehr auf § 360 StPO, eine Vorschrift aus dem Wiederaufnahmeverfahren, gestützt hat. Zu dem im Ergebnis gleichlautenden Antrag, gestützt auf § 458 StPO, hat der Senat bereits im Beschluss vom 3. Mai 2005 Stellung bezogen. Die dort aufgeführten Gründe bestehen fort.
4. Die Strafvollstreckungskammer hat auch zu Recht von der Einholung eines anderen Sachverständigengutachten, eines Psychiaters, abgesehen.
Zunächst ist festzuhalten, dass im vorliegenden Verfahren die Einholung eines Gutachtens eines Facharztes für Psychiatrie nicht geboten war. Soweit man aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2005 2 BvR 983/04 etwas anderes ableiten wollte, hat der Senat zu dieser Frage bereits mit Beschluss vom 5. April 2005 4 Ws 124 und 126/05 ausführlich Stellung genommen. Der Senat hat hierzu u.a. ausgeführt:
"Soweit sich der Verurteilte für seine Rechtsansicht, derartige externe Gutachten müssten stets durch einen Facharzt für Psychiatrie erstattet werden, auf einen Aufsatz von Kröber (NStZ 1999, 593 (594 ff.) und auf Nedopil, Forensische Psychiatrie (2. Auflage, Seite 247) bezieht, ist anzumerken, dass sich die zitierten Textpassagen ebenfalls wörtlich in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Januar 2005 2 BvR 983/04 (veröffentlicht unter http://www.bverfg.de/entscheidun-gen/rk20050114_2bvr98304.html) wiederfinden.
Das Bundesverfassungsgericht hatte in jenem Verfahren über eine Verfassungsbeschwerde eines gemäß § 63 StGB untergebrachten Beschwerdeführers zu entscheiden, gegen den im Jahre 1980 wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz, wegen eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall und wegen Bedrohung, begangen im Zustand einer akuten Schizophrenie, die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet worden war. In Absatz 14 der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht im Zusammenhang mit den an eine Prognosegutachten zu stellenden Anforderungen ausgeführt:
"bb) Nach sachverständiger Beratung hat der Richter eine eigenständige Prognoseentscheidung zu treffen, bei der er dem ärztlichen Gutachten richterliche Kontrolle entgegenzusetzen hat (vgl. BVerfGE 58, 208 <223>; 70, 297 <310>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 23. September 1991 2 BvR 1327/89 -, NJW 1992, S. 2344 <2345>). Diese Kontrolle hat sich nicht nur auf das Prognoseergebnis, sondern auch auf die Qualität der gesamten Prognosestellung zu beziehen. Dabei müssen die Gutachter die für die Begutachtung maßgeblichen Einzelkriterien regelmäßig in einem sorgfältigen Verfahren erheben, das die Auswertung des Aktenmaterials, die eingehende Untersuchung des Probanden und die schriftliche Aufzeichnung des Gesprächsinhalts und des psychischen Befundes umfasst und dessen Ergebnisse von einem Facharzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung gewichtet und in einen Gesamtzusammenhang eingestellt werden."
Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung die Gutachtenerstattung durch einen Facharzt mit psychiatrischer Ausbildung und Erfahrung verlangt hat, beruht dieses nach der Überzeugung des Senats entweder auf den Besonderheiten des durch das Bundesverfassungsgericht zu beurteilenden Falles bei dem Untergebrachten lag eine akute Schizophrenie und damit eine Erkrankung vor, die allein in das Fachgebiet der Psychiatrie fällt oder aber auf einer ungewollten Ungenauigkeit in der Abfassung der Beschlussgründe. Der Senat schließt, wie noch ausgeführt wird, aus, dass das Bundesverfassungsgericht mit seiner Entscheidung zum Ausdruck bringen wollte, dass Prognosegutachten im Maßregelvollzug in allen Fällen nur von Fachärzten für Psychiatrie, nicht aber von Psychologen erstattet werden dürfen.
Eine solche Ansicht findet keine Grundlage im Gesetz. § 454 Abs. 2 StPO, welcher gemäß § 463 Abs. 3 S. 3 StPO auch in den Fällen des § 67 d Abs. 2 StGB anzuwenden ist, verpflichtet lediglich zur Einholung eines "Sachverständigengutachten". Regelungen über die Ausbildung des Sachverständigen enthält die Norm nicht. In der fachgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur ist diese Norm bislang nahezu übereinstimmend dahin ausgelegt worden, dass nach den Umständen des Einzelfalles zu entscheiden ist, welcher Sachverständige am ehesten geeignet ist, die in § 454 Abs. 2 S. 2 StPO gestellte Frage zu beantworten (vgl. OLG Karlsruhe, NStZ-RR 2000, 125 f.; KK-Fischer, StPO, 5. Auflage, § 454 Rdnr. 12 e; KMR-Stöckel, StPO, 38. Lief., § 454 Rdnr. 30). Die schematische Hinzuziehung eines Psychiaters wird als verfehlt angesehen (vgl. KK-Fischer, a.a.O.).
Auch der Gesetzgeber hat im Gesetzgebungsverfahren die Möglichkeit der Gutachtenerstattung durch kriminologisch erfahrene Psychologen gesehen (vgl. BT-Drucks. 8/3218 S. 9). Zwar mag oftmals die Einholung eines ärztlichen Gutachtens geboten sein, zwingend erforderlich ist das nicht (Löwe-Rosenberg-Wendisch, StPO, 25. Aufl., § 454 Rdnr. 52).
Für eine Auslegung der Norm in diesem Sinne sprechen auch entscheidend die landesgesetzlichen Regeln zur Ausgestaltung des Maßregelvollzuges. Eine extern durchzuführende Begutachtung ist nach den Maßregelvollzugsgesetzen in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Saarland, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt vorgesehen (in Nordrhein-Westfalen gemäß § 16 Abs. 3 MRVG). Jedenfalls in Nordrhein-Westfalen wird diese, wie der Senat aus zahlreichen Überprüfungsverfahren nach §§ 67 d Abs. 2, 67 e Abs. 2 StGB weiß, in Übereinstimmung mit der landesgesetzlichen Regelung entweder durch Fachärzte der Psychiatrie oder aber durch forensisch erfahrene Psychologen durchgeführt.
Die erste gesetzliche Verankerung zur Beiziehung eines externen Gutachters erfolgte durch § 14 MRVG NW i.d.F. von 1984, die damals noch die Verpflichtung zur Beiziehung eines externen ärztlichen Sachverständigen vorsah. Diese Bestimmung ist 1999 (vgl. NW-Drucks. 12/ 3953 S. 43) dahingehend erweitert worden, dass Untergebrachte auch durch nicht-ärztliche Sachverständige begutachtet werden können und ggfls. erforderliche Zweitgutachten von der jeweils anderen Disziplin zu erstellen sind (vgl. § 16 Abs. 3 S. 2 und 5 MRVG NW; der Entwurf hatte noch die Begutachtung durch einen Arzt oder eine Ärztin vorgesehen, vgl. NW-Drucks. 12/3728 S. 16). Die fachliche Gleichstellung von ärztlichen und nicht-ärztlichen Sachverständigen ist begrüßt worden (Kammeier, Maßregelvollzugsrecht, 2. Auflage 2002, Rdn. F 144), da es nicht einsichtig erschien, die externe Begutachtung auf ärztliche Gutachter zu beschränken. Ziel der Änderung - schon 1991 war die Hinzuziehung eines weiteren nicht-ärztlichen Sachverständigen im Bedarfsfall beschlossen worden (vgl. NW-Drucks. 11/2151 S. 12) - war eine enge Kooperation verschiedener Gutachter, wodurch eine umfassendere Einschätzung ermöglicht werden sollte. Die Sichtweise von ärztlichen oder psychotherapeuthischen Sachverständigen kann nämlich unterschiedlich sein, so dass die Beteiligung beider Fachrichtungen eine Einschätzung unter allen relevanten Aspekten, die sich aus der unterschiedlichen Ausbildung und den verschiedenen Heilansätzen ergeben, besser gewährleistet erschien. Die Qualität der Überprüfungsmaßnahmen wurde somit erhöht (vgl. dazu Prütting, MRVG und PsychKG NW, 2004, B. § 16 MRVG Rdnr. 50). Zugleich wurde mit dieser Öffnung auf nicht-ärztliche Sachverständige die ohnehin sehr begrenzte Zahl der geeigneten, weil forensisch erfahrenen Sachverständigen erhöht. Es wurde erreicht, dass durch vielfältige Blickwinkel auf eine Krankheit Lücken in der Beurteilung vermieden worden sind (Prütting, a.a.O.).
...
Hätte das Bundesverfassungsgericht entgegen der bisherigen Praxis und gesetzlichen Regelung in Nordrhein-Westfalen zum Ausdruck bringen wollen, dass Prognosegutachten nur von Fachärzten für Psychiatrie erstattet werden dürfen, wäre zu erwarten gewesen, dass dann eine breite Auseinandersetzung mit dieser Praxis, den Vorgaben des MRVG NW und den durch den Landesgesetzgeber verfolgten Zwecken erfolgt wäre. Mit der Frage, warum Psychologen von der Begutachtung eines gemäß § 63 StGB Untergebrachten ausgeschlossen sein sollen, beschäftigt sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts jedoch gerade nicht, so dass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein entsprechender Regelungswille nicht entnommen werden kann."
An dieser Rechtsauffassung hält der Senat auch für das vorliegende Verfahren fest. Der Verurteilte ist im Hauptsacheverfahren durch einen Facharzt für Psychiatrie begutachtet worden. Nunmehr war zu überprüfen, ob trotz der bisher vollstreckten Strafe der Zweck der Maßregel die Unterbringung noch erfordert. Zur Vorbereitung der Bearbeitung dieser Frage ist ein forensisch erfahrener Psychologe ebenso geeignet wie ein Facharzt für Psychiatrie, zumal der Verurteilte nicht unter einer psychiatrisch relevanten Erkrankung leidet. Das vorliegende Gutachten genügt den inhaltlichen Anforderungen und beruht auf einer zutreffenden und umfassenden Tatsachengrundlage. Die Sachkompetenz des Gutachters steht außer Frage.
5. Auch den Antrag auf Anhörung der Dipl. Psch. B., der langjährigen Verlobten des Verurteilten, hat das Landgericht zu Recht abgelehnt. Ihr als Anlage III zum Protokoll vom 28. Juni 2005 zu den Akten genommenes Schreiben macht deutlich, dass es ihr schon an der erforderlichen Sachlichkeit und dem erforderlichen Abstand bei der Beurteilung der hier relevanten Fragen fehlt. Zudem ist Dipl. Psych. B. im Rahmen der Vorbereitung des Gutachtens vom Sachverständigen M. angehört worden, so dass der Senat ausschließt, dass von einer Vernehmung weitere maßgebliche Erkenntnisse für die Beurteilung der Frage, ob der Vollzug der Sicherungsverwahrung anzuordnen ist, zu erwarten sind.
6. Der Antrag auf Unterbrechung der Anhörung ist ebenfalls von der Strafvollstreckungskammer zu Recht abgelehnt worden. Der Senat geht zwar mit dem Verurteilten davon aus, dass der ihm beigeordnete Pflichtverteidiger Rechtsanwalt G. nach Anhörung des Sachverständigen aufgrund einer anderweitigen Terminsverpflichtung die Anhörung verlassen musste. Da die Strafvollstreckungskammer jedoch keinen weiteren Erörterungsbedarf mehr gesehen hat, hat sie dem Unterbrechungsantrag des Verurteilten nicht stattgegeben. Da auch im Beschwerdeverfahren nicht konkret vorgetragen worden ist, welche für die Entscheidung der Kammer relevanten Fragen mit dem Sachverständigen oder der Strafvollstreckungskammer noch hätten erörtert werden sollen, ist der Antrag zu Recht verworfen worden. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass sich der überdurchschnittlich intelligente Verurteilte, wie sich auch aus seinen Verfahrensanträgen am Schluss der Sitzung ergibt, insoweit durchaus selbst angemessen vertreten konnte.
7. Letztlich hat die Strafvollstreckungskammer zu Recht den Vollzug der Sicherungsverwahrung angeordnet, so dass die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde unbegründet ist.
Ausgangspunkt der Überlegungen der Strafvollstreckungskammer hatte dabei zu sein, dass durch Urteil des Landgerichts Münster vom 25. September 2003 rechtskräftig neben der zweijährigen Freiheitsstrafe die Maßregel der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Gemäß § 67 c Abs. 1 StGB hatte sie zu überprüfen, ob trotz der zwischenzeitlich vollstreckten Freiheitsstrafe der Zweck der Maßregel deren Vollzug noch erfordert, insbesondere, ob die Gefährlichkeitsprognose weiterhin aufrechtzuerhalten ist. Diese Vorschrift macht insbesondere nach der Verbüßung langer Freiheitsstrafen Sinn, weil der ursprünglich ungünstigen Prognose durch die Fortschritte im Vollzug der Boden entzogen sein kann. Ist allerdings, wie hier, nur eine relativ kurze Freiheitsstrafe vollstreckt worden und sind nicht wesentliche Umstände eingetreten, dürfte eine Anordnung, die Sicherungsverwahrung nicht zu vollziehen, kaum vorstellbar sein.
Derartige Umstände, die ein Absehen des Vollzuges der Sicherungsverwahrung rechtfertigen könnten, liegen hier nicht vor. Nach dem Ergebnis des überzeugenden Gutachtens des Sachverständigen Meyer, dessen Einschätzung von der Justizvollzugsanstalt geteilt wird, war der Vollzug der Sicherungsverwahrung anzuordnen.
Dabei hatte der Senat zunächst zu berücksichtigen, dass der Verurteilte, der seit 1980 strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, seit August 1987 mehrere gravierende einschlägige Gewaltdelikten gegenüber ihm bis dahin nicht, in einem Fall lediglich flüchtig bekannten jungen Frauen begangen hat. In der Regel führten die Taten zu erheblichen psychischen Schäden bei den Geschädigten, teils zu behandlungsbedürftigen körperlichen Verletzungen. In jedem Fall wurde der Verurteilte bei seinen Taten mehr oder weniger frühzeitig gestört. Seit August 1987 befand er sich nur insgesamt und nicht zusammenhängend fünf Jahre lang in Freiheit, im übrigen in Untersuchungs- oder Strafhaft.
Am 1. August 1987 überfiel er während einer größeren Party eine ihm bis dahin unbekannte Frau auf der Toilette, auf deren Kopf er mehrmals eine Bierflasche schlug, bis diese schließlich zerbrach. Außerdem griff er in ihre Haare und stieß ihren Kopf mit voller Wucht mehrfach gegen die Wand. Für diese Tat, deren Motiv nicht aufklärbar war der Verurteilte hatte zahlreiche Motive dafür angegeben -, wurde er wegen versuchten Totschlages zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt.
Die nächste einschlägige Verurteilung erfolgte am 3. Februar 1993 durch das Amtsgericht Dortmund wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen wegen Diebstahls zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr sechs Monaten. Er hatte am 17. Dezember 1991 eine ihm flüchtig bekannte junge Frau abends verfolgt. Als diese aus einer Telefonzelle aus Angst ihre Schwester anrufen wollte, damit diese sie abhole, sprühte der Verurteilte ihr Reizgas ins Gesicht, drehte ihr den Arm auf den Rücken und bedrohte sie mit einem Schraubendreher, den er an ihren Hals hielt. Sie weiter so festhaltend, führte er sie aus der Telefonzelle auf die Straße, wo sie nach einiger Zeit durch das beherzte Eingreifen ihrer Schwester befreit werden konnte.
Eine erneute Verurteilung erfolgt am 13. Mai 1996 durch das Landgericht Dortmund, und zwar wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung, vorsätzlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und fahrlässiger Körperverletzung. Er wurde zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren sechs Monaten verurteilt.
Er hatte am 28. August 1993 einer damals 16 Jahre alten, ihm unbekannten Geschädigten in einem Gebüsch aufgelauert und zunächst seinen Arm um ihre Schultern gelegt. Nachdem sich diese ihm entwunden hatte, fasste er sie von vorne an den Schultern und zog die sich wehrende Zeugin an sich. Als sie um Hilfe schrie, presste er ihr mit seinen Fingern Unter- und Oberkiefer zusammen, wobei er ihr mit seinen Fingernägeln Schmerzen und eine Schürfwunde zufügte. Er ließ von ihr ab, als Personen zu Hilfe kamen.
Am 28. Januar 1994 setzte sich der Verurteilte einer ihm unbekannten Frau auf dem Parkplatz einer Diskothek auf den Schoß, als diese gerade mit dem Auto nach Hause fahren wollte. Der Verurteilte hielt der schreienden Geschädigten Mund und Nase zu. Nachdem es der Geschädigten gelungen war, das Fahrzeug zu verlassen, folgte ihr der Verurteilte und rammte ihr mit starker Kraft eine Hand in den Mund. Die Geschädigte hatte Todesangst und erlitt Verletzungen im Nasen- und Rachenraum. Nachdem der Verurteilte ihr gesagt hatte, auf diese Weise könne man Schweine töten, gab die Geschädigte ihre Gegenwehr auf. Als Hilfe kam, ließ der Verurteilte von ihr ab.
Am 23. März 1994 hatte der Verurteilte in Soest ein Auto betankt und war, ohne zu bezahlen, davongefahren. Er wurde später von einem Polizeibeamten auf der Autobahn A 44 angehalten. Als dieser ihn aufforderte, auszusteigen und seine Papiere vorzuzeigen, startete der Verurteilte das Fahrzeug plötzlich, wodurch er eine 30-minütige Verfolgungsjagd auslöste. Dabei bog er mit hoher Geschwindigkeit in eine Straße ein, so dass ein entgegenkommender Polizeibeamter auf einem Krad nur durch ein Ausweichmanöver einen Zusammenstoß vermeiden konnte. Im weiteren Verlauf bog er in falscher Fahrtrichtung auf die Bundesstraße 1 in Dortmund-Sölde ein und verließ diese über die Auffahrt in Holzwickede, wobei er dort mit einem dort stehenden Funkstreifenwagen kollidierte. Ungeachtet dessen fuhr er weiter. Im Bereich des Bahnübergangs Wickeder Hellweg gelang es dem Verurteilten, bei sich öffnenden Schranken und einem eine Straßenseite versperrenden Polizeiwagen mit hoher Geschwindigkeit durch die entstehende Lücke durchzuzwängen. An der anderen Seite der Schranke stieß er mit einem dort wartenden Pkw zusammen und kollidierte sodann mit einem mittig abgestellten Polizeiwagen, wodurch ein Polizeibeamter leicht verletzt wurde.
Die letzte einschlägige Verurteilung erfolgte durch das Landgericht Münster am 23. September 2003 wegen Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und Anordnung der Sicherungsverwahrung.
Der Verurteilte hatte am 9. März 2003 eine ihm unbekannte junge Frau nachts auf der Straße angesprochen. Nach kurzer Zeit, der Verurteilte war ihr unbemerkt gefolgt, packte er sie unvermittelt von hinten mit dem Arm um den Hals, riss sie zu Boden und hielt ihr, halb über ihr liegend, die Arme fest. Als die Geschädigte schrie, presste er seinen rechten Daumen fest in ihren Mund, um weitere Schreie zu unterbinden. Während sie weiter verzweifelt versuchte, sich zu befreien, kam ihr ein Taxifahrer zu Hilfe.
In allen Fällen ist das Motiv der Taten unklar geblieben. Der Verurteilte selbst hat jeweils zahlreiche Varianten dafür in den verschiedenen Verfahrensabschnitten angeboten und auch im vorliegenden Verfahren teils neue Erklärungen dafür abgegeben.
Der Sachverständige M. hat nach umfassender Exploration, Gesprächen mit den Eltern und der Verlobten des Verurteilten, Auswertung der Vollstreckungs- und Strafakten, der Gefangenenpersonalakten, der Hausakten der landeszentralen Einweisungsanstalt JVA Hagen und Gesprächen mit Mitarbeitern der JVA Bochum (betreuende Beamte aus dem Wohngruppen- und Arbeitsbereich, dem Anstaltsarzt sowie dem zuständigen Abteilungsleiter) sein Gutachten erstattet. Unter Anlehnung der Vorschläge von Dittmann hat er eine dreistufige Prüfung von Risiko- und Schutzfaktoren vorgenommen, die in allen drei Bereichen eine ungünstige Beurteilung (bei einer Schätzskala von "sehr günstig" bis "sehr ungünstig") ergeben hat.
Bei der Basisprognose hat der Sachverständige die übermäßige und sinnlos wirkenden Gewaltanwendungen, die als Teile einer Deliktserie imponieren, gesehen. Das jeweilige Opfer war, so der Sachverständige zutreffend, eher zufällig und daher austauschbar. Die Taten waren nicht Ausdruck (vorübergehender) Erkrankungen, sondern einer andauernden Persönlichkeitsstörung. Während die statistische Grundwahrscheinlichkeit derartiger Taten eher klein ist, war die jeweilige Rückfälligkeit sehr hoch. Weil die Geschädigten immer Frauen waren, ist eine spezielle chronifizierte fehlerhafte Haltung gegenüber dem anderen Geschlecht sehr wahrscheinlich. Schon diese Umstände zeigen, dass die Einschätzung der Basisprognose als "ungünstig" zu Recht erfolgt ist.
Gleiches gilt für die aktuelle Individualprognose. Da seit 1987 eine grundlegende Veränderung der kriminogenen Störanfälligkeit nicht erkannt werden kann, muss auch dieser Prognoseabschnitt, wie vom Sachverständigen nachvollziehbar dargelegt, als ungünstig eingestuft werden. Das ergibt sich nach Auffassung des Senats auch daraus, dass der Verurteilte den letzten Vorfall nunmehr als krankheitsbedingten (Sturz-)Unfall darstellen will, was deutlich zeigt, dass die erforderliche Auseinandersetzung mit dem Grund seines strafrechtlichen Versagens gerade nicht stattgefunden hat. Eine fundierte, aber nach der zutreffenden Einschätzung des Sachverständigen erforderliche therapeutische Aufarbeitung konnte nach seiner letzten Inhaftierung auch nicht erfolgen, da er dafür notwendigen Anträge des Verurteilten von diesem erst zu spät gestellt worden waren. Zudem hat er sehr geringes Durchhaltevermögen bei schulischen oder beruflichen Maßnahmen und Anpassungsprobleme insbesondere mit weiblichen Bediensteten in der Haft gezeigt, so dass die aktuelle Individualprognose vom Sachverständigen nachvollziehbar und überzeugend als ungünstig bewertet worden ist
Die zukunftsorientierten Risiko- und Schutzfaktoren und der soziale Empfangsraum sind ebenfalls vom Sachverständigen als ungünstig eingestuft worden. Selbst wenn die bisher nicht signalisierte Therapiebereitschaft bestehen würde, so der Sachverständige, stehe ein entsprechender Platz dafür nicht zur Verfügung. Die Verlobte habe die letzte Straffälligkeit nicht verhindern können. Angedacht sei von den beiden Partnern jedenfalls zunächst kein dauerndes Zusammenleben, sondern eine eigenständige Erprobung des Verurteilten in einer eigenen Wohnung, als berufliche Eingliederung werde eine schriftstellerische Bestätigung über seine Erlebnisse in der Haft erwogen. Die Erfahrungen der Vergangenheit haben aber, so der Sachverständige zutreffend, gezeigt, dass eine derartige Kontrolldichte nicht ausreiche. Auch zu seiner damaligen Bewährungshelferin habe er ein gutes Verhältnis gehabt, was ihn von neuen Straftaten nicht habe abhalten können. Die Vorstellungen über die Zukunftsgestaltung seien als unklar, unzureichend und unrealistisch anzusehen.
Auch diese Einschätzung teilt der Senat, so dass bei fortbestehendem Hang zur Begehung gleichartiger Taten der Vollzug der Sicherungsverwahrung von der Strafvollstreckungskammer zu Recht angeordnet worden ist. Wegen der weiteren Einzelheiten der kriminalprognosistischen Einordnung wird auf Seite 83 bis 93 des Gutachtens (Bl.218 228 VH) Bezug genommen.
II. Da die sämtliche Beschwerden zu verwerfen waren, folgt die Kostenentscheidung insoweit jeweils aus § 473 Abs. 1 StPO.
Ende der Entscheidung
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